Entwicklung · Gegenwart · Ethik · Perspektive«
In den zurückliegenden Newslettern haben wir aus verschiedenen Perspektiven auf das Thema Digitalisierung geschaut und die Cloudtechnologie, Digitalisierungsstrategien und das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine erörtert. Heuten nehmen wir Sie in diesem abschließenden Beitrag der Themenreihe mit auf eine Zeitreise: Wir blicken zurück auf die ersten Digitalisierungsschritte und stellen die Zukunftsfrage, welche Perspektiven sich speziell für uns im christlich-kirchlichen Bereich ergeben?
Dazu haben wir einemn der Pioniere der Digitalisierung im christlichen Sektor befragt: Joachim Stängle, Jahrgang 1969, aus Herrenberg, ist Diplom-Betriebswirt und hat als Geschäftsführer der Christlichen Internet Agentur CINA die ersten Online-Auftritte vieler christlicher Organisationen begleitet. Heute berät er mit »Stängle-Consulting« u.a. gemeinnützige Organisationen auf dem Weg in die digitale Gegenwart und Zukunft.
Augrund des Gesprächsverlaufs haben wir das ursprünglich geplante Thema angepasst.
Christliche Internetangebote – wie fing alles an?
OPTIGEM: Wie haben Sie persönlich die ersten Schritte der Digitalisierung erlebt?
Als BWL-Student hatte ich mit Internet nichts zu tun. In Deutschland war das Mitte der 90er Jahre noch wenig verbreitet. Als ich dann an meiner Diplomarbeit schrieb, habe ich mir einen AOL-Account und damit Zugang zum Internet besorgt. Erste, mitunter zaghafte Schritte durch seinerzeit extrem begrenzte und textlastige Onlineangebote – damals noch mit einem quietschenden Modem – waren für mich der Start.
Mit Beginn meiner Tätigkeit für die Entwicklung der CINA im Jahr 1996 hieß es für mich dann: lernen, lernen, lernen. Neben dem technischen Grundwissen der Onlinenutzung ging es aber auch schon um Rechtliches, um Zusammenhänge und Abhängigkeiten zwischen einzelnen Organisationen und dies auch mit Blick in die christliche Gemeindelandschaft in Deutschland. Und es gab fast täglich »WOW-Effekte«. Das war z.B. die Erkenntnis, dass das deutschsprachige Internet im Vergleich zu amerikanischen Angeboten doch noch sehr wenig entwickelt war. Über den großen Teich geblickt gab es wesentlich mehr, auch christliche Onlineangebote. Hier wurden schnell gute Kontakte geknüpft und Kooperationen entwickelt. Also – unkompliziert einander zu helfen, Geben und Nehmen als eine Grundeigenschaft in der jungen Digitalisierung – das konnte ich schon früh wahrnehmen und erleben – und das hat mir sehr imponiert.
OPTIGEM: Sie haben 1996 die CINA mitentwickelt. Welche Ziele hatte man damals und wurden sie erreicht?
Die CINA wurde für zwei Zielrichtungen gegründet:
Eigene Onlineangebote erstellen: Menschen niederschwellig auf die Inhalte der Bibel hinweisen, mit ihnen in Kontakt kommen, Fragen beantworten und zum Glauben einladen.
Andere technisch unterstützen: Christliche Organisationen in der Einführung und Nutzung des Internets begleiten, z.B. mit Dienstleistungen wie Server, Domain und E-Mail bereitstellen, aber auch Strukturentwicklung, Design und Programmierung von Internet-Seiten anbieten.
Ob die Ziele erreicht wurden, ist pauschal schwer zu beantworten. CINA wuchs schnell. Wir konnten Mitarbeitende einstellen, die neue, inhaltliche Zielgruppen-Angebote entwickelten, waren technisch absolut auf der Höhe der Zeit, meist sogar schon einen Schritt voraus. Ein sehr großes ehrenamtliches Team entstand, das inhaltlich viel gearbeitet und online Kontakte geknüpft hat. Und ja, wir haben Menschen mit christlichen Inhalten erreicht, die meines Erachtens sonst kaum Kontakt zu Gläubigen bekommen hätten. Dass zum Beispiel die damals entwickelte Seite »Bibleserver.com« bis heute im Netz ist, freut mich sehr und bestätigt die nachhaltige Wirkung der Anfangszeit.
OPTIGEM: Gab es Vorbehalte und Hindernisse bei den ersten Online-Projekten?
Vieles war damals schön – aber es war auch nicht immer einfach. Oft war in Gesprächen nur sehr zögerlich zu erkennen, dass »dieses Internet« enorme Chancen bietet und die operative Arbeit in den Werken erleichtern kann. Die wenigsten hatten schon eine E-Mail-Adresse geschweige denn eine Homepage. Listen mit Veranstaltungsterminen oder Nachrichten kamen lange Zeit noch per Post oder Fax. Wir schrieben das dann nochmal ab und stellten es online. Viel zu selten wurde eine Diskette mitgeschickt, um uns das Abtippen zu ersparen. Datenschutz war damals noch ein absolutes Randthema.
In einigen Gemeinden wurde die Arbeit von CINA anfänglich skeptisch betrachtet. Sicher teilweise aus Unkenntnis oder auch aus Sorge, ob die neue Vernetzung nicht doch antichristlichem Gedankengut den Weg bereiten könnte. Aber es gab auch ganz viel Unterstützung von Menschen, die mit Rat, Tat und mit Spenden die Arbeit begleiteten.
Digitalisierung in der Gegenwart – wo stehen wir gerade?
OPTIGEM: Ist die Digitalisierung heute überall angekommen?
Wir haben 1996 gesagt, wir stehen noch ganz am Anfang. Das hat damals sicherlich gestimmt. Aber bis in die Gegenwart hinein habe ich den Eindruck, zu viele Unternehmen und Organisationen, auch Kirchen, stehen heute immer noch am Anfang. Und auch Teile der Gesellschaft und des öffentlichen Lebens sind scheinbar nicht ganz in der digitalen Welt angekommen. Will sagen – es hat sich enorm viel im Hinblick auf Digitalisierung entwickelt, aber in manchen (deutschen) Organisationen, die ich persönlich kennengelernt habe, ist das leider immer noch nicht angekommen.
»Heute muss die Nutzungsgewohnheit der Zielgruppe im Fokus stehen
und diese mit einem breiten Medienmix erreicht werden.«
Was jedoch weitestgehend angekommen ist, ist die Integration verschiedener Medien in die Zielgruppenansprache. Damals wurde in Medien-Sparten gedacht: Radio, Fernsehen, Printangebote und neu »das Internet«… Heute muss die Nutzungsgewohnheit der Zielgruppe im Fokus stehen und diese mit einem breiten Medienmix erreicht werden. Welche Medien-Kanäle und -Kombinationen hierfür nötig sind, entscheiden Nutzende durch ihre Nutzung, nicht mehr Anbietende durch ihr Angebot. Also – diese Perspektive hat sich deutlich gewandelt.
Und: Die Masse der Angebote hat sich verändert. Das heißt, um heute überhaupt noch wahrgenommen zu werden, muss der Vorteil eines Angebots für die Zielgruppe sehr schnell deutlich sein, sonst sind Besuchende sofort weitergezogen. Hinzu kommen die ganze Bandbreite mobiler Angebote, multimediale Inhalte, interaktive Formate wie Videokonferenzen, die enorme Geschwindigkeit der Übertragung, Programmiertechniken oder die so genannte »User Experience«. Wenn man so will – eigentlich ist fast alles anders geworden. Aber noch ist diese Weite der Digitalisierung nicht bei allen angekommen.
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